10 Jahre jung – Jahrhunderte alt

10 Jahre jung – Jahrhunderte alt

Das St. Kamillus Kolumbarium feiert sein zehnjähriges Bestehen – und doch ruht es auf Fundamenten, die Jahrhunderte zurückreichen. Anlässlich dieses Jubiläums nutzten Besucherinnen und Besucher der Veranstaltungen die Gelegenheit, auf die lange Geschichte der Kirche zurückzublicken. Auch die Nutznießer des Jubiläumsangebots entdeckten diesen besonderen Ort neu. Mit ihm eine Geschichte, die wir in diesem Blogbeitrag noch einmal erzählen.

Der heilige Kamillus

Der Ursprung führt zurück zu Kamillus von Lellis, einem Mann, der durch eigenes Schicksal zum Heiligen wurde. Als Soldat erlebte er das Leid der Verwundeten, als geläuterter Mensch stellte er sein Leben in den Dienst der Kranken. 1585 gründete er den Orden der Kamillianer, erkennbar am roten Kreuz auf der Kutte. Ihr Auftrag war klar: „Heilt die Kranken und verkündet die frohe Botschaft.“


Geboren
im Zugabteil

Jahrhunderte später, 1926: Der Gladbacher Provinzoberer der Kamillianer Pater Hubertus Beckers sitzt im Zug – zufällig im gleichen Abteil wie Franz Gielen, der damalige Oberbürgermeister von Mönchengladbach. Beckers erzählt vom Traum des Ordens, ein Krankenhaus zu errichten. Gielen hört aufmerksam zu – und bietet ein Stück Land am Rande seiner Stadt an. Eine ehemalige Obstplantage wird so zum Boden eines großen Vorhabens.

Am 27. Dezember 1928 kaufen die Kamillianer das Grundstück, 1929 beginnt der Bau von Krankenhaus, Kloster und Kirche. Für das geistliche Herzstück der Anlage – die Kirche – holt man einen der bedeutendsten Kirchenarchitekten seiner Zeit nach Mönchengladbach: Dominikus Böhm. Er war kein Bewahrer alter Formen, sondern ein Gestalter neuer Räume. Sein Credo: „Ein Gott, eine Gemeinde, ein Raum.“ In St. Kamillus lässt er Licht und Architektur miteinander verschmelzen, sodass der Altar zum strahlenden Mittelpunkt wird.

Herz des Westens

1931 stehen Krankenhaus, Kloster und Kirche. Von außen klar getrennt – weiß verputztes Krankenhaus, rotes Kloster, ockerfarbene Kirche – im Innern verbunden. Das Krankenhaus spezialisiert sich auf Asthma und Atemwegserkrankungen, das erste seiner Art in Deutschland. Menschen aus dem Ruhrgebiet reisen hierher, im Krieg wird es zum Lazarett, später zu einer bekannten Lungenklinik, die bis Anfang der 2000er Jahre besteht. Kranke können in ihren Betten zur Messe geschoben werden.

Mit dem Bau schlugen die Kamillianer Wurzeln in Mönchengladbach. Über Jahrzehnte prägten sie das Leben am St. Kamillus: Sie arbeiteten im Krankenhaus und engagierten sich in der Seelsorge. Für viele Menschen im Westen der Stadt waren die Patres, und zweitweise auch Nonnen, Ansprechpartner, Helfer und Begleiter – im Leben, in Krankheit, in Alter und in der Not.

Die Kirche war immer Herz und Seele des Quartiers. Hier erklangen Orgelklänge, hier fanden Menschen Hoffnung, hier erleuchtete das Licht vom Altar her den Raum der Einkehr und Besinnung. Für die Nachbarschaft war St. Kamillus mehr als eine Kirche oder ein Krankenhaus. Es war ein Ort der Nähe, des Friedens und der Gemeinschaft. Kinder brachten Plätzchen an die Krankenbetten, Nachbarn fanden in den Mauern Schutz in Kriegszeiten.

Vom Krankenbett zur Ewigkeit

Mitte der 1980er-Jahre entstanden weitere Fachbereiche in der im Volksmund auch „Röchelklinik“ genannte Lungenklinik. 2002 übernahm das Krankenhaus Maria Hilf den gesamten Komplex und führte Dahl als „Maria Hilf 3“. 2012 schlossen sie wegen zunehmender Zentralisierung und anderer Veränderungen in der Krankenhauslandschaft den Standort. Die Klinik zog in das Krankenhaus St. Franziskus an der Viersener Straße. Ganz verschwunden war St. Kamillus damit jedoch nicht: Die Patres hielten am Standort fest und blieben in der Seelsorge präsent. Doch wie in vielen Orden fehlte es auch den Kamillianern zunehmend an jungen Mitbrüdern, um die vielfältigen Aufgaben langfristig fortzuführen. Mit der Profanierung der Kirche 2014 sorgten sie schließlich dafür, dass das inzwischen denkmalgeschützte Gebäude eine neue Zukunft als Kolumbarium erhielt.

Lebendiger Ort der Erinnerung

Bei der Umgestaltung zur Grabeskirche entstand eine Innenarchitektur, die in Fachkreisen viel Anerkennung findet. Sie verbindet die klaren Linien Böhms mit neuen, offenen Emporen, modernen Materialien und einer Raumgestaltung, die sowohl Würde als auch Offenheit ausstrahlt. Besonders bemerkenswert ist, dass die helle und freundliche Lichtstimmung des ursprünglichen Kirchenbaus bewahrt werden konnte – ein Merkmal, das St. Kamillus deutlich von vielen anderen, oft dunklen Grabeskirchen unterscheidet.

Seit 2015 ist St. Kamillus nun ein Kolumbarium – eine Kirche für Urnenbestattungen. Zwischen den klaren Linien Böhms und der Geschichte des Hauses ist ein Raum entstanden, der Würde, Frieden und Geborgenheit schenkt. Und doch ist es kein stiller Ort: Regelmäßig erklingen hier Musik und schöne Worte. Konzerte, Lesungen und Veranstaltungen füllen die alten Mauern mit neuem Leben. Wer ein Grab besucht, findet hier nicht nur Stille – er erlebt, wie Erinnerung, Kultur und Gemeinschaft auf besondere Weise zusammenfinden.

So ist St. Kamillus heute eines der schönsten Kolumbarien Deutschlands – ein architektonisches Juwel, das Geschichte bewahrt und gleichzeitig neue Wege eröffnet. Kein Wunder also, dass das Jahr 2025 mit vielen Veranstaltungen gefeiert wurde. Denn zehn Jahre Kolumbarium sind ein kleines, aber besonderes Jubiläum – und es bringt auch ein Geschenk mit sich.


Wenn Geschichte Geburtstag feiert

2025 stand St. Kamillus nicht nur im Zeichen bewegender Konzerte, die den Mauern neues Leben gaben. Zum Jubiläum wollte man auch den Menschen, die hier ihre letzte Ruhestätte suchen, etwas schenken: Im Jubiläumsjahr entfallen die Reservierungsgebühren. So kann 2025 eine Urnenstätte erwerben für einen Zeitpunkt, der möglichst weit in der Zukunft der eigenen Geschichte liegen möge.